„Balloni“ Köln

Umbau einer historischen Kranfabrik in zwei Bauabschnittes zu einem Ausstellungs-, Verkaufs- und Veranstaltungszentrum

Realisierung 1091-1996

ARCHITEKTENRÜDIGER      ECHTERNSTRASSE 64     38100 BRAUNSCHWEIG

PROJEKTERLÄUTERUNGEN


Köln-Ehrenfeld ist hinsichtlich Städtebau und Bevölkerungszusammensetzung ein besonderer Stadtteil. Um die Jahrhundertwende entstand hier an der Peripherie der damaligen Stadt ein Industrie- und Gewerbegebiet in dichter Mischung mit meist einfachen Wohngebäuden. Traditionsreiche Firmen wie "4711" produzierten hier. Dieses städtische Gemenge und viele der alten Firmen haben sich bis heute erhalten.  Bevölkerung und Gewerbe erhielten in den letzten 20 Jahren einen hohen Anteil Zugewanderter und so ist aus Ehrenfeld ein Stadtteil mit einer eigenwilligen, Kunst und Kultur anregenden Mischung aus internationalem und urkölnischem Leben geworden.

Erst in den letzten Jahren wurden nach und nach die alten Industrieareale aufgegeben, mit neuen und oft kulturellen  Nutzungen gefüllt oder abgerissen und in Dienstleistungs- oder Wohnflächen umgewandelt.

Ein solches Industriegelände direkt an der Hauptstraße Ehrenfeldgürtel am Bahnhof Ehrenfeld erwarben die Bauherrn für Ihre Firma. Die Firma Balloni besteht aus einem Einzelhandelsgeschäft für Dekorationsartikel aller Art und richtet darüberhinaus überregional Feste und Veranstaltungen aus, von privaten Geburtstagsfeiern bis zu Sommerfesten der Bonner Spitzenpolitiker und großen Eröffnungsveranstaltungen der Industrie und der Medienkonzerne. Auf dem Gelände standen drei Hallen und einige Nebengebäude,  zum Teil über hundert Jahre alt, in denen bis 1990 schwere Kräne produziert und repariert wurden.

In zwei Bauabschnitten sanierten und bauten wir die Hallen um. In einem ersten Bauabschnitt wurde eine Halle mit Nebengebäude für Verkaufs- und Büroräume umgestaltet, in einem zweiten Bauabschnitt, der hier dokumentiert wird, die beiden übrigen Hallen zu einem flexiblen Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum umgebaut. Die Hallen sollen für große Feste, Kunstausstellungen, Messen, aber auch für  Musikveranstaltungen und Studioaufnahmen von Film und Fernsehen genutzt werden. Hierfür mußten Foyers und Garderoben, WC-Anlagen und eine Küche in die alte Hüllen eingefügt werden, sowie Fluchtwege und Anliefertore geschaffen werden. Um Lager- und Umkleidemöglichkeiten zu erhalten, wurde innerhalb der Umfassungsmauern ein Keller ausgehoben. Für kleinere Festveranstaltungen wurde im Obergeschoß über dem Foyer der großen Halle und in einem neu geschaffenen Anbau aus Glas ein kleiner Saal einfügt.

Die "Gratwanderung" der entwurflichen Entscheidungen ergab sich aus den Umständen der Aufgabe. Einerseits haben die Altbauten einen unübersehbaren eigenständigen Charakter, der als das besondere Milieu dieses Ortes bewahrt werden mußte, andererseits  wird für jede Festveranstaltung und für jede Studionutzung durch Dekoration und Licht ein anderes Milieu, eine andere Illusion geschaffen werden. Dieses, auf jeden Anlaß neu abgestimmte Ambiente ist es, was die Bauherren ihren Kunden anbieten. Das darüberhinaus auch noch ganz erhebliche technische Ausstattungen eingebaut werden mußten, von einer Klimatisierung bis zu einer aufwendigen Medienverkabelung, ergab sich aus dem Nutzungsprogramm. Die Anforderung für Studioaufnahmen oder Musikveranstaltungen erforderten auf Grund der direkten Nachbarschaft zur vielbefahrenen Eisenbahnstrecke, zum Ehrenfeldgürtel und der hinter den Hallen beginnenden Wohnbebauung zudem eine erhebliche Verbesserung der Schalldämmung vom Außenwand, Dach und Fenstern.

Unsere Aufgabe sahen wir darin, den einfachen und etwas ruppigen Charme der historischen Industriebauten zu erhalten und nicht der Versuchung zu erliegen, die Hallen zu veredeln oder den notwendigen neuen Einbauten einen ganz anderen Charakter als dem Bestand zu geben. Ein solcher Kontrast zwischen alt und neu wäre hier das falsche Entwurfskonzept gewesen, da dieser Kontrast,

diese "Zutat" sowieso durch die spezifische Dekoration jeder Veranstaltung hinzukommen wird. Unser Ziel war es also, das überlieferte und vorgefundene Milieu in die heutige Zeit weiterzudenken .

Im Inneren sind die Hallen deshalb möglichst wenig verändert worden, Das Sichtmauerwerk der Wände wurde gereinigt, die alte Dachschalung, die filigranen Stahlträger und die Kranbahnen wurden erhalten. Auch in den Details der notwendigen Ergänzungen und Einbauten wird der alte, industrielle Charakter bewahrt und in neue Materialien und Formen umgesetzt. Neue Details und Materialien sind deshalb nicht edel und nicht glatt, sondern einfach und robust.

Als Raumtrennung zwischen Hallen und neuem Foyer sind Sichtbetonwände eingefügt. Ähnliche Sichtbetonwände bestimmen bereits den ersten Bauabschnitt. Als Eingangssymbol und Windfangbegrenzung ist der Außenwand ebenfalls eine solche Stahlbetonscheibe vorgestellt. Die Geländer von Treppen und Brüstungen bestehen aus einfachen, senkrechten Flachstählen mit ebensolchem horizontalen Handlauf. Sie sind, genau wie die vorgefundene und die neue, ergänzte Stahlkonstruktion in einer speziell angemischten Eisenglimmerfarbe gestrichen. Für den Fußboden der Halle (unter dem eine umfangreiche Elektro- und Medientechnik verborgen wurde) sind einfache, geschliffene Betonwerksteinplatten verwendet worden. Der Fußboden des im Obergeschoß eingefügten kleinen Veranstaltungssaals besteht aus alten, französischen Eichendielen.

Die gesamte Klimatechnik ist in einem oberhalb der alten Dacheindeckung geschaffenen Dachhohlraum untergracht und wird von einem außen liegenden Klimagerät versorgt. Wie überdimensionierte Infusionsschläuche versorgen außenliegende Rohre die Halle mit der nötigen Zuluft und der Klimatisierung, wie eine "Beatmung" der alten Hallen, die ihnen neues Leben einbläst. Das durch diesen Lüftungshohlraum bedingte Doppeldach gewährleistet auch die erforderliche Schalldämmung.

So zurückhaltend in Farben, Material und Gestaltung die Veranstaltungsräume sind, die WCs sind "maßvoll" dekoriert. Spiegel, kräftige Farben und eine geschwungene Trennwand, die ein Künstler mit venezianischem Glasmosaik belegt hat, schaffen für diese Nebenräume eine festliche Atmosphäre. Diese aufwendige illusionistische Gestaltung der Nebenräume bekommt Ihre Logik und Berechtigung, wenn man die Hallen in ihrem für Feste dekorierten Zustand erlebt.

Der Anbau für den kleinen Saal mit der darunter liegenden Küche grenzt direkt an den  Ehrenfeldgürtel. Im Kontrast zu den geschlossenen Außenwänden der Halle ist dieser Saal vollständig verglast. Die über beide Geschosse durchgehenden, die Geschoßteilung überdeckende Verglasung wird nur in horizontalen Profilen gehalten. Alle vertikalen Glasfugen sind rahmenlos  als silikonversiegelte Glasstöße ausgebildet. Diese ausschließlich horizontale Teilung unterstreicht den leichten, schwebenden Charakter dieses Neubaus im Gegensatz zum überwiegend geschlossenen, schweren Bau der alten Hallen.

Große bewegliche Lochblechsegel vor den Fassaden dienen als Sonnenschutz und erlauben gleichzeitig eine optische Abschirmung des Innenraums. Diese Lochblechsegel können senkrecht vor die Fassade geklappt  oder horizontal gestellt werden, so daß das Gebäude zwei sehr unterschiedliche Zustände der Offenheit annehmen kann. Bei aller Unterschiedlichkeit zum Erscheinungs-bild der alten Hallen ist ein innerer Zusammenhang durch das sehr technische Element der Lochblechsegel, die Stahlprofile der Fassade und die Integration einer alten Außenmauer hergestellt.

Dieser Glaskubus begrenzt gleichzeitig einen Eingangshof am Ehrenfeldgürtel, der gleichzeitig die Veranstaltungshallen und den zurückliegenden Laden erschließt. Er stellt das nach außen sichtbare Zeichen dar, daß die Kranfabrik in ein neues Gebäude, in ein kulturelles Zentrum für Ehrenfeld transformiert wurde. Der Erfolg der ersten Veranstaltungen gibt den Ideen der Bauherren recht, daß das eigenständige Ambiente einer technisch und kommunikationstechnisch ertüchtigten,  ansonsten bewahrten alten Industriearchitektur als Rahmen für Feste, Veranstaltungen, Fernsehsendungen und Musikshows gefragt  ist. Die  "ungeschminkte" Darstellung realer Materialien mit den Alterungsspuren ihrer  langen Geschichte , die bewußte Einfachheit und konstruktive Logik, der Verzicht auf Perfektion in jedem Detail scheint ein seltenes Erlebnis - und ein starkes Bedürfnis - in der heutigen Fest-, Show- und Medienwelt zu sein.